Der Geschmack der Gerste

Die meisten unter uns wissen, dass Whisky aus Gerste besteht. Wer sich schon einmal in der Wissensrubrik auf unserer Seite Whisky.de umgesehen hat, weiß auch was, mit der Gerste passiert, bevor daraus Whisky werden kann: Mälzen, Maischen, Fermentieren, Destillieren, Fasslagern - die Schritte sind klar. Der Großteil des Whiskygeschmacks entsteht während der Fassreifung - abgesehen von rauchigen Whiskys, bei denen Torf eine große Rolle spielt. Nicht ganz so klar ist, welchen Einfluss eigentlich die ursprüngliche Gerste auf den Geschmack des Whiskys hat. Schließlich ist das Wissen um die Malzherstellung wenig verbreitet. Wir erläutern den Vorgang am Beispiel der Speyside Brennerei Glenfarclas, deren 15-Jähriger übrigens im März bei uns im Sonderangebot ist.

In früheren Zeiten wurde der Gerste jeglicher geschmacklicher Einfluss auf das Endprodukt Whisky abgesprochen. Jedoch befinden sich in allen Gerstensorten Ester, die für Aromen im Whisky sorgen. Analysen haben recht unterschiedliche Gehalte an Estern in den einzelnen Gerstensorten gezeigt. Auch die Anbauzeit wirkt sich auf die Qualität des Getreides aus: Wintergerste (Aussaat im Herbst) weist einen höheren Gehalt an Eiweiß auf als Sommergerste (Aussaat im Frühjahr), weshalb letztere häufiger zum Einsatz kommt. Im Hinblick auf den Geschmack sollte der Eiweißgehalt 10,5% nicht überschreiten, sonst wird das ‘Bier‘ zu bitter. Sommergerste ist also in Europa die Gerste zur Erzeugung alkoholischer Getränke schlechthin, also Bier, Whisky oder andere Spirituosen. Durch die längere Vegetationsphase und die effektive Nutzung der Winterfeuchtigkeit sind die Erträge der Wintergerste höher und die Nährstoffe günstig für die Verwendung als Futtermittel. Neuere Wintergerstesorten mit hohen Gehalten an Protein und Ballaststoffen werden nur für die menschliche Ernährung angebaut. Unter anderem wird sie für Bourbon verwendet. Proteine sorgen für einen etwas herberen Geschmack im Whisky, während Stärke den Whisky süßer macht.

Die Sommergerste für Glenfarclas Single Malt wird normalerweise in Schottland und oft in der Gegend von Moray angebaut, woher die meiste Gerste für Scotch Whisky kommt.

Mälzen (Einweichen, Keimen und Trocknen)

Die geerntete Gerste wird zunächst in Wasser eingeweicht, um den Keimvorgang in Gang zu setzen. Gerstensorten wie Chariot und Optic sind wegen der Keimungsrate von 98% und ihres geringen Stickstoffgehalts (unter 1,6%) beliebt. Die stickstoffhaltigen Abbauprodukte des Eiweißes sorgen im Endprodukt für unerwünscht bittere Aromen. Während des Keimens wird die Stärke im Getreide in eine lösliche Form umgewandelt und es werden Enzyme frei, die die Stärke während des Maischens in Zucker spalten.

Einweichen

Die Gerste wird für 24 bis 36 Stunden in Wasser eingeweicht. In modernen Einweichanlagen lässt man das Wasser während des Prozesses zeitweise ab und bläst Luft durch die Gerste, um Kohlendioxid zu entfernen und die Sauerstoffversorgung wieder herzustellen. Durch das Einweichen wird der Feuchtigkeitsgehalt der Gerste auf etwa 46% erhöht und der Keimvorgang ausgelöst.

Das Keimen

Die Gerste dehnt sich aus und es entstehen Enzyme, eine Gruppe von komplexen Proteinen, die von lebenden Zellen produziert werden. Diese Enzyme wirken als Katalysatoren in spezifischen biochemischen Reaktionen und sind für die Spaltung der Stärke in fermentierbare Zucker nötig. Temperierte, befeuchtete Luft wird durch die keimende Gerste geblasen. Die Luft wird zur Temperaturregelung verwendet, während die Befeuchtung den Feuchtigkeitsverlust auf 3-4% minimiert. Der Feuchtigkeitsgehalt dieses ‘Grünmalzes‘ wirkt sich auf die Entwicklung aller wichtigen Enzyme aus. Während die Gerste wächst, induziert das Pflanzenhormon Gibberellinsäure die Synthese von hydrolytischen Enzymen. Durch die enzymatische Hydrolyse (eine chemische Reaktion, bei der eine Verbindung mit Wasser reagiert um andere Verbindungen zu produzieren) von Proteinen und Beta-Glucanen, also Zucker, im stärkehaltigen Endosperm (das Gewebe innerhalb der Gerste) wird das harte Endosperm der Gerste in das weiche Endosperm der gemälzten Gerste umgewandelt, das während des Mahlprozesses leicht zu Schrot gemahlen werden kann. Kurzum: Die Gerste wird weicher und zuckerhaltig, sodass sie leichter geschrotet und vergärt werden kann.

Trocknen oder Darren

Über einen Zeitraum von 24 bis 48 Stunden wird das ‘Grünmalz‘ sorgfältig getrocknet, um die Keimung zu stoppen und den Feuchtigkeitsgehalt von 43% auf die erforderlichen 4,5% zu reduzieren. Es ist wichtig, die durch das Keimen freigesetzten Enzyme während des Maischens zu erhalten. Diese sind erforderlich um die endgültige Umwandlung der Stärke in löslichen, vergärbaren Zucker zu ermöglichen.

Beim Darren finden wiederum komplexe chemische Reaktionen statt. Aminosäuren und Zucker werden abgebaut oder reagieren zusammen und erzeugen in der Gerste charakteristische geröstete, malzige Aromen.

Schließlich enthält gemälzte Gerste mehr endosperm-abbauende Enzyme als ungemälzte Gerste, und auch mehr lösliche Proteine, Aminosäuren und mehr farbgebende Verbindungen. Damit erhält man einen größeren Ertrag von Malzzucker und Aminosäuren während des Maischens und eine höhere Ausbeute an Alkohol während der Gärung.

Genug Fachchinesisch: Es scheiden sich die Geister, ob die Gerste nun wirklich großen Einfluss auf den Geschmack des Endproduktes Whisky hat. Man kann sich wohl darauf einigen, dass Proteine und Stärke dem Whisky unterschiedliche Geschmacksnoten verleihen und dass auch der Gehalt von Estern eine Bedeutung für den Geschmack von Whisky hat. Später in der Herstellung, während der Fermentation und der Fasslagerung entstehen weitere Aromen im des Whiskys. Und letztendlich ist es doch der fertige Whisky der zählt!