Brexit - Tag der Wahrheit

Nach einer langen Zeit des Tauziehens ist es tatsächlich so weit: Heute, am 31.01.2020 findet nun also der offizielle Austritt Groß Britanniens aus der Europäischen Union statt.

Seitdem das Thema 2016 aufgekommen ist, sind die Brexit-Schlagzeilen aus den Nachrichten nicht mehr wegzudenken. Es folgte ein jahrelanges Hin und Her und sogar zwei Regierungen sind an dem großen Unterfangen ‘Brexit‘ gescheitert. Erst Boris Johnson, der im Frühjahr 2019 das Ruder in Großbritannien übernahm, konnte selbiges auch herumreißen: Im Dezember 2019 hat er die vorgezogenen Neuwahlen mit einer satten Mehrheit für sich entschieden. Der neue Premierminister des Vereinigten Königreiches setzt nun also durch, mit seinem Land die EU zu verlassen.

Natürlich beschäftigt uns und Sie als Genießer schottischen Whiskys die wichtige Frage: Was bedeutet der anstehende Brexit für das Geschäft mit Whisky und seine Verfügbarkeit bei uns? Und auch den Menschen in Schottland dürfte diese Frage nicht gerade unwichtig erscheinen. Denn laut Scotch Whisky Association (SWA) ist schottischer Whisky das wichtigste Exportgut für Großbritannien und macht 20% aller Lebensmittelexporte aus. 2017 wurden 39 Flaschen pro Sekunde aus dem Vereinigten Königreich verschifft, was einen Exportwert von 4,37 Milliarden Pfund (etwa 516 Milliarden Euro) ausmacht.

Nun beginnt zunächst die Übergangsphase, in der sich Großbritannien und die EU auf ein Freihandelsabkommen einigen müssen. Will man in Zukunft eine enge Zusammenarbeit wie zwischen der Schweiz und der EU oder ein loses Freihandelsabkommen wie zwischen Kanada und der EU?Bis 31.12.2020 wird diese Phase laufen - reichlich ambitioniert! Ein Jahr ist eine knappe Zeit um ein solch komplexes Handelsabkommen auszuhandeln. Eine kleine Änderung ist uns bereits vor den Neuwahlen aufgefallen, und zwar auf der Flaschenrückseite des 12-jährigen Glenkinchie. Dort steht ‘Imported by DBBV Molenwerf 12 in 1014 BG Amsterdam‘ in den Niederlanden. War diese Information bereits ein Vorbote vom Brexit? Der Hintergrund ist folgender: Laut Lebensmittelinformationsverordnung (kurz LMIV) muss auf Whiskyflaschen eine verantwortliche Adresse innerhalb der EU stehen. Wenn Großbritannien aus der EU austritt und die schottische Adresse der Brennerei Glenkinchie auf der Flasche steht, ist dies natürlich nicht mehr gewährleistet. Deshalb gibt man nun die Adresse des Importeurs, der die Ware als erstes aus dem Land außerhalb der EU eingeführt hat, auf der Flasche und der Verpackung an. Unsere Lieferanten sind also - ganz banal gesagt - dazu gezwungen die Adressangaben auf den importierten Flaschen zu ändern.

In Schottland werden die Stimmen immer lauter, die ein neues Unabhängigkeitsreferendum fordern. Es gab bereits 2014 ein Referendum, in dem Schottische Bürger darüber abstimmten, ob sie aus dem Vereinigten Königreich austreten wollen. Dabei ging es nicht nur um die Frage ‘Unabhängigkeit oder nicht-Unabhängigkeit‘, sondern auch um die Frage wie das Land in der Unabhängigkeit geführt würde. Die Ungewissheit davor hielt wohl viele Schotten davon ab, für die Unabhängigkeit zu stimmen. Ähnliches ist auch in den britischen Kolonien vor sich gegangen, als es um die Frage ging ‘Rebellion oder nicht Rebellion?‘. Viele waren ebenfalls gegen eine Rebellion, weil der Gedanke im British Empire zu verbleiben doch eigentlich ganz bequem klang.

Bequem ist es für uns mit dem Whisky in der EU momentan auch. Sind die Verhandlungen abgeschlossen, kann es unbequem werden. Man kann damit rechnen, dass künftig Zölle erhoben werden, da andernfalls noch mehr Länder auf die Idee kommen könnten die EU zu verlassen und das möchte die EU natürlich verhindern. Die EU wird wohl auf Zölle auf Whisky beharren, während Großbritannien Zölle auf deutsche Autos erheben wird. Leider stellt der Brexit somit für unser Geschäft bei Whisky.de eine Beeinträchtigung dar und ist daher bitterer Ernst für uns. In dieser Situation hilft Galgenhumor und die Betrachtung der Lage von außen: In gewissen Punkten sind die Briten sogar zu beneiden, da sie sich ohne die EU im Rücken, die Mammutaufgabe sparen sich an die LMIV und die Datenschutz-Grundverordnung (DSVGO) zu halten.

Hohe Zölle von 10-12% auf Whisky könnten wiederum interne Unstimmigkeiten im Vereinigten Königreich heraufbeschwören - immerhin macht Whisky für Schottland einen Exportwert von über fünf Milliarden Euro jährlich aus. Wohl einer der Gründe warum schottische Bürger lautstark nach einem neuen Unabhängigkeitsreferendum verlangen. Die Zentralregierung in London lehnt dies natürlich ab.

Dass man Zölle auch geschickt umgehen kann, zeigen bekannte US Whiskey Marken. Die Whiskeys der großen amerikanischen Marken werden erst in Europa in die Flaschen gefüllt und somit handelt es sich lediglich um harmlose 50-70 Cent Aufschlag. Da die ‘Marke‘ auf dem Etikett erst mit der Abfüllung hinzu kommt, entfällt der teure Zoll auf den wertvollen Namen. Werden die Whiskeys hingegen in den USA in Flaschen abgefüllt und dann zu uns exportiert, erhöht sich der Einkaufspreis teilweise um 20-25%.

Mit schottischem Whisky ist das schlecht möglich, denn diese Single Malt Whiskys müssen in Schottland abgefüllt werden. Doch bedeutet Abfüllung in Schottland auch, dass das Etikett in Schottland auf die Flasche geklebt werden muss? Labelt man die Flaschen in Europa, so findet auch dort die ‘Wertschöpfung‘ statt. Das heißt es kommt auch erst dort zu den höheren Preisen. Denn ohne das Etikett könnte ein Glenkinchie ja prinzipiell auch irgendein weniger hochwertiger Whisky sein. Und man kann schließlich niemandem den Versuch verübeln, möglichst wenig Zölle und Steuern zahlen zu wollen. Dass auf dem Glenkinchie 12 Jahre nun eine Niederländische Adresse steht, hat für den Importeur noch einen weiteren Vorteil: In den Niederlanden ist eine Lizenzvergabe für eine Marke steuerfrei. Exportiert man also den Whisky nach Holland, wo sich der Sitz der Marke befindet, hat man noch weniger Kosten.

Zugegeben: All das hat vergleichsweise wenig mit Whisky zu tun, aber diese ganzen ‘Verzwicktheiten‘ haben nun mal auch Auswirkungen auf unseren Whisky. Wird ein Zoll von bis zu 10% eingeführt, werden die Preise für den Whisky etwas steigen. Solange der Wert unter 5% bleibt, ist dies relativ unerheblich. Denn blickt man wieder in die USA, so wurden die EU-Vergeltungszölle auf American Whiskey teilweise von den Herstellern geschluckt, da sie es sich finanziell leisten können.

Leider haben wir keine Kristallkugel und können nicht die Zukunft sehen. Was wirklich passieren wird, können wir nur mutmaßen. Es kann in der nächsten Zeit zu Tumulten kommen, daher kann es nie schaden seinen Whisky Vorrat noch aufzustocken! Wir haben daher im Februar eine Auswahl verschiedener schottischer Whiskys im Sonderangebot: Einen fruchtigen Inchmurrin aus der Highland Brennerei Loch Lomond, einen würzig-süßen Craigellachie aus der Speyside, abgefüllt von Signatory Vintage, einen milden dreifach destillierten Lowland Single Malt von Auchentoshan sowie die drei rauchig-maritimen Islay-Whiskys Scarabus, Port Charlotte 10 Jahre und Finlaggan Red Wine Cask Matured.