Scotch Whisky im Wandel der Jahrhunderte

Alles ist in Bewegung

Mitte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts bereiste Alfred Barnard die Malt Whisky Brennereien des Vereinigten Königreichs. Er beschrieb seine Reisen in seinem 1887 erschienenen berühmten Buch 'The Whisky Distilleries of The United Kingdom'. Aus heutiger Sicht erscheint uns die alte Welt noch in Ordnung. Viele kleine Malt Whisky Brennereien erschufen in Handarbeit einen Malt Whisky, wie wir ihn heute so sehr schätzen.

Doch schon die damalige Zeit brachte große Veränderungen mit sich. Die aufkommende Industrialisierung erreichte auch das abgelegenste Tal in den schottischen Highlands. Die Steuer auf Alkohol und Whisky war bereits seit geraumer Zeit eingeführt und nur lizenzierte Brennereien durften laut Gesetz Whisky herstellen. Die Zeit der Schwarzbrenner war endgültig vorüber.

Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert setzte sich der, mit der Lizenzierung eingeleitete, Konzentrationsprozess in Schottland fort. Aus den ländlichen Farmen mit Brennereien im Nebenerwerb wurden sich selbst wirtschaftlich tragende Unternehmen. Die neuen Eisenbahnlinien erschlossen die letzten Winkel Schottlands und der Malt Whisky konnte bequem in die großen Städte gebracht werden. Hier wurde er bevorzugt zum Blending eingesetzt. Die damalige Phase des Aufschwungs brachte so bedeutende Blended Whisky Marken wie Johnnie Walker, Dewar's oder Chivas Regal hervor. Der Single Malt Whisky fristete ein Schattendasein und war nur bei den Schotten selbst und als 'Gewürz' für die mittlerweile weltweit vertriebenen Blended Whiskys geschätzt und gefragt.

Der große Erfolg der Blended Whiskys sorgte für ein Anwachsen der Konzerne bis 1914. Die Marken und deren Geschmack festigte sich. Da die Malt Whiskys wichtigster und geschmacksbildender Bestandteil der Blends sind, wurden sie von der gleichmäßigen Versorgung mit Malts abhängig. Die Konzerne begannen sich ihre Whisky-Quellen zu sichern. Sie kauften bevorzugt die Malt Whisky Brennereien auf, von denen sie bereits Fässer für ihre Blends bezogen. Bezahlt wurde in einer Währung, die für die Käufer genauso billig wie für die Verkäufer teuer war: Aktien! Beständige und anstrengende Arbeit in den kargen Highlands und auf den vorgelagerten Inseln wurde durch Beteiligungen an den gewachsenen Konzernen belohnt.

Eine Weltwirtschaft im eigentlichen Sinne des Wortes gab es zur Wende von 19. zum 20. Jahrhundert noch nicht wirklich. Der Commonwealth mit den britischen Kronkolonien und das unabhängige Amerika waren die bevorzugten Märkte für Whisky. Amerika noch mehr als die Kolonien, in denen sich nur die kleine, herrschende Oberschicht den Whisky überhaupt leisten konnte.

Wegen der Exportabhängigkeit der schottischen Whiskyindustrie führte der erste Weltkrieg zu einem drastischen Rückgang der Produktion. Zwar konnte der Alkoholschmuggel in die USA währen der Prohibition von 1919 bis 1933 einen Teil kompensieren, aber die Produktion erreichte nicht mehr die Werte vor dem Krieg. So kam es zu ernsten Problemen innerhalb der Whisky-Firmen.

Hohe Schulden und die ersten Zusammenbrüche erschütterten in Folge die schottische Whisky-Branche. Die Karten wurden neu gemischt. Als die Prohibition 1933 vorüber war und Großbritannien ab 1945 seine Kriegsschulden aus dem zweiten Weltkrieg an die USA in Whisky bezahlen durfte, ging es wieder aufwärts. Die Distiller's Company Ltd. wurde ungekrönter Sieger und konnte viele Firmen und Brennereien übernehmen. Aus dem Sieger von damals ist heute mit Diageo der größte Spirituosenkonzern der Welt geworden.

Nach dem Krieg beschleunigte sich die Geschwindigkeit der Konzentration. Von mehr als zwei Dutzend Konzernen sind heute nur noch acht übrig geblieben. Die globale Expansion, allen voran die Vereinigten Staaten und Großbritannien, schürte die Konkurrenz, so dass sich die verbliebenen Firmen entweder zusammenschlossen oder von den größeren Fischen geschluckt wurden.

Seit 30 Jahren geht es auch nicht mehr nur um Whisky allein. Der gesamte Spirituosenmarkt hat die Begehrlichkeiten geweckt. Zu groß sind die Kostenvorteile, wenn man neben Whisky auch Vodka, Gin, Cognac und Rum mit der gleichen Infrastruktur vertreiben kann.

Die beiden bislang letzten großen Akte in diesem Verteilungskampf waren die Aufteilung des ehemals größten Spirituosenkonzerns der Welt Seagram's im Jahr 2000 unter den Konkurrenten Diageo und Pernod Ricard sowie die Übernahme von Jim Beam durch Suntory 2014.

Doch hier zeigte sich, dass der Markt auf Konzernebene beinahe zum Stillstand gekommen war. Nur unter strengsten Auflagen wurden die Übernahmen von den Wettbewerbshütern in den USA und Europa gebilligt. Die Konzentration ist bereits so groß, dass man Angst hat, ein Unternehmen könne eine beherrschende Stellung gewinnen.

Während man sich in den Konzern-Zentralen tiefe Gedanken über asiatische Wachstumszahlen und Verhältnisse zwischen Whisky, Rum, Vodka, Cognac und Gin machte, nahm eine Entwicklung seinen Lauf, von der wir als Genießer heute profitieren. Zunächst unbemerkt von den Großen verkaufte Glenfiddich seinen Malt Whisky über die Duty-free Schiene. Der Erfolg war in den 1980ern so groß, dass der Malt den Reisenden bald in die heimischen Supermärkte folgte. Bis die Großen erwachten, hatte William Grant, der Eigentümer von Glenfiddich, den Markt besetzt. Heute ist Glenfiddich Malt Whisky-Marktführer.

Doch die Riesen sind erwacht. Mittlerweile konnte Pernod Ricard mit der Marke Glenlivet die Krone der weltweit größten Malt Whisky Marke schon einmal für ein Jahr erringen.

Neben diesen riesigen 'Kriegsschauplätzen' findet auch eine starke Verbreiterung der Whiskybasis statt. Wo man in Schottland auch hinsieht, überall werden neue kleine Malt Whisky Brennereien gebaut und eröffnet. Rund zwei Dutzend dürften es in den letzten Jahren gewesen sein. Zwar dauert es noch ein Weilchen, bis diese jungen Malt Whiskys im Markt erscheinen werden. Auch die ehemalige Vormachtstellung der Konzerne beginnt zu verblassen. Wer will sich ein drittes oder viertes Mal eine Glenfiddich oder Glenlivet Flasche kaufen, wenn so viele neue, unbekannte Whiskys auf einen warten?

Die Konzerne haben es in jüngster Zeit den jungen Brennereien auch recht leicht gemacht. Statt mit ihrer Finanzkraft große Whiskylager mit hohem Alter aufzubauen, hat man, den Controllern folgend, die Kapitalbindung in den Warehouses reduziert und immer mehr sogenannte NAS-Whiskys bei den Großen produziert. Das Kürzel NAS steht dabei für 'No Age Statement' also Whiskys ohne Altersangabe, die oft nur wenige Jahre gereift sind und mit zugegebenermaßen sehr guten Fässern aufgepeppt wurden.

Doch exzellente Fässer nehmen die kleinen Brennereien auch. Sie müssen es sogar, weil sie noch nicht auf alten, gereiften Whisky zurückgreifen können. Des einen Freud, des anderen Leid. Gegenüber den NAS-Whiskys der großen Konzerne sehen die NAS-Whiskys der kleinen Newcomer ziemlich gut aus. Freuen wir uns gemeinsam auf das, was in den kommenden Jahren von Brennereien wie Wolfburn, Glenglassaugh, Kingsbarn und all den anderen auf uns zukommen wird.