Gibt es ein Whisky-Oligopol?

Als ein Oligopol bezeichnet man eine Marktsituation, in der es nur wenige Anbieter gibt. Typisches Beispiel ist die Mobilfunk-Industrie. Wenn wir uns eine SIM-Karte für ein Mobiltelefon kaufen, können wir zwischen zahlreichen Anbietern wählen. Doch in Wirklichkeit gibt es nur vier ähnliche Netze (D1, D2, E1, E2) bei denen sogar eine Übernahme (Zusammenschluss) der beiden E-Netze bevorstehen. Unsere deutschen Preise für die Gesprächsminute liegen in allen Netzen deshalb nahezu gleich hoch. Ein wirklicher Wettbewerb ist nicht gegeben.

Das Schlimmste an einem Oligopol ist aber nicht unbedingt die Übervorteilung des Verbrauchers. Immerhin gibt es ja noch eine begrenzte Konkurrenz. Vielmehr hat jede Preisänderung eines Anbieters gravierenden, ja existenzbedrohenden Einfluss auf die anderen Anbieter im Oligopol zur Folge. Schaffte es ein Anbieter, seine Preise um beispielsweise 25% zu senken, müssten die wenigen Teilnehmer im Oligopol ebenfalls die Preise zurücknehmen, um nicht viele ihrer Kunden an den günstigeren Anbieter zu verlieren. Diese erzwungene Rücknahme der Preise würde den Unternehmen massive Verluste und der Belegschaft eine harte Zeit bescheren - die Automobil-Industrie lässt grüßen.

Auch im Whiskymarkt gibt es oligopolistische Tendenzen. Nur wenige Konzerne können mit alkoholischen Getränken auf Jahresumsätze in Milliardenhöhe zurückblicken. Sie teilen sich weitgehend den globalen Whiskymarkt auf. Zu diesen Konzernen gehören (in alphabetischer Reihenfolge): Bacardi, Brown-Forman, Campari, Diageo, LVMH, Pernod Ricard, Remy Cointreau und Suntory. Neben diesen globalen Mega-Unternehmen gibt bzw. gab es nur noch ganz wenige Unternehmen in der schottischen Mittelschicht, die sich im Bereich von 100 bis 500 Millionen Umsatz bewegten: Edrington, Wm Grant & Sons sowie Whyte & Mackay. Vor wenigen Jahren gab es noch mehr als doppelt so viele. Highland Distillers, Burn Stewart, Inver House, Glenmorangie und zum Schluss sogar die große Jim Beam wurden von den Megafirmen geschluckt.

Und auch bei den drei genannten (Edrington, Wm Grant & Sons sowie Whyte & Mackay) hat es massive Veränderungen gegeben. Während sich die gemeinnützige Edrington Group von Glengoyne und Tamdhu trennte, um Macallan, Highland Park und Famous Grouse zu ungeahnten Größen wachsen zu lassen, ist Wm. Grant & Sons mit seinen Single Malt Whiskymarken Glenfiddich und Balvenie sowie seinen Blends und anderen Spirituosen selbst zu einem Milliarden-Konzern geworden; Allerdings weiter im Privatbesitz. Und Whyte & Mackay wurde zum globalen Spielball. Zunächst verkauften die Eigentümer das Unternehmen 2007 an die indische UB Group, bevor diese das Unternehmen an die philippinische Alliance Global Group weiter veräußerte.

Der Trend zu immer größeren Unternehmen ist unverkennbar und folgt dem Trend in anderen Weltwirtschaftszweigen. Selbst Seagram’s, das ehemals größte Whisky-Unternehmen der Welt, wurde zwischen den Mega-Unternehmen zerrieben. Wo ist das Ende? Eine Wirtschaftstheorie besagt, dass es in jeder reifen Branche letztendlich nur zwei große Konkurrenten geben kann: Cola und Pepsi, McDonald’s und Burger King oder Jim Beam und Jack Daniel’s.

Ein Lichtstreif ist jedoch am Horizont erkennbar. Private Brennerei-Neugründungen und Wiedereröffnungen geschlossener Brennereien haben die Anzahl der unabhängigen Kleinunternehmungen in dieser schottischen Branche wieder deutlich erhöht. Diese wenigen selbständigen Brennereien sind/waren: Arran, Benriach, Benromach, Bladnoch, Bruichladdich, Edradour, Glendronach, Glenfarclas, Glenglassaugh, Glengoyne, Glengyle (Kilkerran), Kilchoman, Speyside, Springbank und Tullibardine. Doch auch hier sind deutliche Konzentrationsprozesse zu erkennen. Die kleine Vorzeigebrennerei Bruichladdich wurde an Remy Cointreau verkauft. Benriach, Glendronach und Glenglassaugh gehören mittlerweile zu einem südafrikanischen Bierkonzern. Bladnoch steht still und wird auf Grund von internen Problemen liquidiert, Speyside wurde an einen Exporteur verkauft und Tullibardine fand nach vielen Jahren der Suche einen französischen Weinkonzern als Käufer.

In anderen Whisky produzierenden Ländern ist der Konzentrationsprozess bereits deutlich fortgeschrittener. In Irland produzieren mit Diageo, Pernod Ricard und Suntory nur noch drei Großunternehmen. Wm. Grant & Sons baut gerade mit Tullamore eine weitere Brennerei. Die ehemalige kleine, unabhängige Cooley Brennerei verkaufte sich an Jim Beam, bevor diese dann ihrerseits sich an Suntory verkaufte. Und in Nordamerika werden die über 100 verschiedenen Bourbons von nur einem knappen Dutzend Brennereien hergestellt, die sich zum Großteil in der Hand der Konzerne befinden.

Oligopolistische Tendenzen sind seit mehr als 100 Jahren in der schottischen Whisky-Industrie zu beobachten. Deutlichstes Anzeichen ist die Abnahme der produzierenden Brennereien von 120 vor 25 Jahren auf heute nur noch knapp 100. Ohne die Neugründungen der privaten Unternehmungen wären es heute deutlich weniger.

Die Vorgehensweise bei den Brennereischließungen ist fast immer die gleiche: Der Zwang zu Kostenreduktionen zwingt die Konzerne, in den am meisten nachgefragten Brennereien und bei den am kostengünstigsten produzierenden Brennereien auf einen Dreischichtbetrieb umzustellen. Dieser Dreischichtbetrieb verteilt die fixen Unternehmenskosten wunderbar auf die dreifache Produktionsmenge und der Whisky wird in der Herstellung deutlich billiger. Da auch die moderneren Brennereien bevorzugt werden und sich Investitionen in diese Brennereien wegen der höheren Produktionsmenge schneller rechnen, zeigen sich recht schnell Brennereien, für die sich weitere Investitionen im Vergleich nicht mehr lohnen. Sie werden in der Regel zunächst einmal vorübergehend stillgelegt.

Steigt die Nachfrage nach diesen Malts nicht durch den Markt wieder an, so werden diese Brennereien endgültig geschlossen und später abgerissen. Da die Nachfrage sehr stark von der Werbung der Konzerne abhängig ist, hat ein so zurückgefallener Malt kaum noch die Chance auf eine Wiederbelebung. Glücklich kann sich eine Brennerei schätzen, wenn das rationalisierende Unternehmen beschließt, die Brennerei zu verkaufen anstatt abzureißen. So geschah es auch mit den Brennereien: Ardbeg, Benriach, Benromach, Bladnoch, Bruichladdich, Bunnahabhain Glendronach und Glenglassaugh.

Hartnäckig hält sich in der Whisky-Gemeinde die Vorstellung, dass für die Blendherstellung viele verschiedene Malt Whiskys erforderlich sind. Von bis zu 40 Malts pro Blendmarke ist die Rede. Doch bereits im 19. Jahrhundert kauften die Whiskybarone wie Buchanan, Walker und Dewar die wichtigsten Malt Whisky Brennereien für ihre Blend Whiskys, um unabhängig von der Konkurrenz zu werden. Heute ist die Industrie schon deutlich weiter. Man besitzt nicht nur die wichtigsten Malt Whisky Brennereien, man hat auch ausreichend viele Ausweichbrennereien, um sämtliche Zutaten für einen Blend im eigenen Haus zu erstellen.

Das beste Beispiel für diese neu gewonnenen Fähigkeiten war der vorübergehend produzierte Pure Malt Cardhu. Ursprünglich war Cardhu ein Single Malt, hergestellt in der gleichnamigen Brennerei. Doch die hohe Nachfrage zwang den Hersteller einen gleich schmeckenden Pure Malt aus wenigen anderen Brennereien zu komponieren. Das Ergebnis schmeckte verblüffend ähnlich zum Original. Mit der Entflechtung der Brennereien für die Blendherstellung wurde auch der Berufsstand der Whiskybroker überflüssig. Waren sie vor 10 Jahren noch elementarer Bestandteil der Whiskyindustrie, in dem sie die unterschiedlichsten Whiskysorten und Fässer zwischen den Unternehmen vermittelten, so benötigt man sie heute fast nicht mehr. Aber gerade dieser Berufsstand förderte die unabhängigen Abfüller (UA), also die Unternehmen, die die verschiedensten Malt Whiskys fassrein in die eigenen Flaschen abfüllen. Nur mit dem Zugriff auf Broker hatten die UA den Zugriff auf einzelne Fässer auch der abgelegensten Brennereien. Mit dem Aussterben der Broker wird auch die Szene der UA ärmer.

Nur eine Handvoll UA hatte die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt. Douglas Laing (McGibbon’s), Gordon & MacPhail, Signatory und Ian MacLeod häuften Whiskylager an, die an die Zig-Tausende Fässern zählen. Aus ihnen können sie sicherlich noch ein ganzes Jahrzehnt zahlreiche unabhängige Abfüllungen in hoher Qualität für uns Genießer abfüllen.

Denn der Konzentrationsprozess geht weiter. Haben Sie sich gefragt, warum Sie noch nie eine unabhängige Abfüllung von Glenfiddich, Glenfarclas oder Glenmorangie gesehen haben? Die Hersteller haben dermaßen viel Geld über Werbung in ihre Markennamen gesteckt, dass sie auf keinen Fall Trittbrettfahrer bei UA dulden. Mehr als einmal wurden Abfüller von den verschiedensten Firmen für die unerlaubte Verwendung von Brennereinamen als Markennamen vor den Richter gebeten.

Um das Jahr 2002 gaben mehrere Konzerne offiziell bekannt, dass man in Zukunft keine Fässer der eigenen Brennereien mehr an UA verkaufen wird. Man wird zwar bestehende, langfristige Verträge mit Blendern einhalten, aber UA werden keine Fässer der Brennereien mit den wohlklingenden und verkaufsfördernden Namen mehr erhalten.

Der Sinn dieses Vorgehens ist klar. Warum soll man den UA ein Geschäft ermöglichen, wenn man es auch selbst machen kann? Statt eines einzelnen Lagavulin 16 Jahre aus der gleichnamigen Brennerei noch vor 10 Jahren, gibt es heute vier verschiedene Flaschen: 12J Fassstärke, 16J, eine nachgereifte Jahrgangsabfüllung und öfter einmal Spitzenprodukte mit 21 und mehr Jahren Alter. Das ist in anderen Konzernen nicht anders. Es mangelt keinesfalls an interessanten Abfüllungen auch hohen Alters. Das Einzige, was der Konsument zu beklagen hat, sind die extrem hohen Preise, wenn man z.B. einen Original Glenfiddich 40 Jahre oder einen Glenmorangie Quarter Century erwerben will.

Dem kleinen UA verhagelt dieses Vorgehen aber das Geschäft. Mit geringer Fassauswahl und ohne finanziellen Spielraum können nicht mehr Fässer nach bestem Wissen und Gewissen ausgesucht und abgefüllt werden. Der Käufermarkt hat sich zum Anbietermarkt gewandelt. Man hat sogar schon von namhaften aber kleinen UA gehört, dass sie Fässer vor dem Kauf beim Broker nicht mehr probieren dürfen. Die Devise lautet: „Friss Esel oder Stirb!“ Da man diese sehr teuer erworbenen Fässer nicht mehr bei fragwürdiger Qualität in Blends mischen kann - dazu hat man zu viel Geld für sie ausgegeben - werden sie trotzdem einzeln abgefüllt. Eine Zeit lang gelten sie dann noch als Exoten, bis sie langsam aber sicher sich dem Marktdruck beugen müssen.

Haben wir jetzt den Belzebub in dunklen Farben groß an die Wand gemalt, so haben Oligopole glücklicherweise nicht nur Nachteile. Großfirmen leiden durch ihre Struktur und den globalen Ansatz unter einer hohen Kostenbelastung. Sie sind wegen ihrer schieren Größe auch nicht mehr sehr beweglich in Strategie und Preisen. Das gibt kleinen Unternehmen immer wieder Chancen, interessante und lukrative Nischen mit Produkten zu besetzen, die für die Großen nicht so interessant sind. Nicht kühlgefilterte und in Fassstärke belassene Single Malt Whiskys waren in den vergangenen fünf Jahren vor allem das Feld der Kleinfirmen. Ohne die Innovationskraft der UA würde die Whiskyszene sich heute bedeutend ärmer darstellen.

Mit den gewinnstarken Nischen konnten die größeren unter den UA bereits den nächsten Schritt gehen. Den Erwerb einer eigenen Brennerei. Das Oligopol der Großen ermöglichte es den Kleinen Nischenmärkte aufzubauen, die uns Genießern die Malt Whiskys bieten, die wir so gerne mögen.

Wie geht es weiter? Sehr erfolgreiche Kleinbrennereien und unabhängige Abfüller werden sicherlich den Angeboten der großen Konzerne in einigen Jahren nicht widerstehen können. Ist ein aufgebautes Unternehmen nur erfolgreich genug, so kann man es sehr gewinnbringend an die Konzerne verkaufen. Bruichladdich ist hier mit einem Verkaufspreis von 90 Mio. US$ an Remy Cointreau der absolute Spitzenreiter.

Wer wollte es den Unternehmern verdenken? Es ist der ewige Kreislauf der Weltwirtschaft. Und wer hält ihn in Gang? Am Ende sind wir es selbst, die mit unseren Aktienkäufen - auch indirekt über Lebensversicherungen - die Großunternehmen in ihrem Handeln bestärken. Auch als Käufer stellen wir kollektiv die entscheidende Marktmacht dar, die für die Auslese und das Wachstum der Unternehmen im Evolutionskreislauf unserer Weltwirtschaft sorgt.